Und nun diese beiden Reliefs, die mir völlig den Stecker zogen. Beginnen wir mit dem ersten Bild: Ein an Lenin gemahnender, durch Frisur, Alter und Mantel als Intellektueller und/oder Parteileiter erkennbarer Herr und ein schnauzbarttragender Arbeiter mit Händen in den Hosentaschen (eigentlich ein Tabu in der Darstellung von Arbeitern in der DDR) halten einen dritten Mann an den Oberarmen fest, und der Alte deutet auf ein Tor, von dem wir nur ahnen können, dass es ein Fabriktor ist (auch Gartentor läge nahe). Fast wirkt die Szenerie wie eine Festnahme durch die Stasi, aber eine solche Interpretation ist ziemlich ausgeschlossen. Ist der Halbnackte ein Stahl-Arbeiter? Ein Arbeitsunwilliger, dem man ein bisschen auf die Sprünge helfen muss? Die Sichel in der Hand der Bäuerin verrät, dass wir uns noch in den 50er Jahren befinden.
Wer gehofft hatte, das zweite Bild würde die Auflösung bringen, hat sich geirrt. Der Halbnackte (wenn es denn überhaupt derselbe ist) trägt nun eine Schiebermütze und eine Fahne (wahrscheinlich eine rote) und geht zum Tor hinein. Er wird von dem Intellektuellen, dessen Gesicht nun wiederum Thälmann ähnelt, verabschiedet. Aber warum trägt man eine Fahne in die Fabrik? Worauf wartet der Gießerei-Arbeiter? Das Kind ganz rechts trägt Pionierhalstuch und ebenfalls eine Fahne. Der erste Mai? Aber wo ist der Bauer mit seinem Spaten geblieben? Was ist zwischen Bild 1 und Bild 2 geschehen? Hat der Halbnackte sein Zögern überwunden? Hat man ihn mit sanftem Druck überzeugen müssen?
Da unser Publikum künstlerisch gebildet ist, bitte ich hier um Nachhilfe.
Ach, falls ihr wissen wolltet, wer bei uns am Donnerstag im Frannz-Club zu Gast ist: Wir hatten ja eigentlich das James-Last-Orchester verpflichtet, dessen Management aus fadenscheinigen Gründen abgesagt hat. Dafür beehren uns nun zwei der besten Songschreiber Berlins: Lennart Schilgen und Sven Van Thom.
D.R.
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